Er ist mehr als ein Stück Loden: Der Schladminger Janker ist ein Stück Tradition, ein Stück Heimat, ein Stück Bekleidungskultur. Was ihn so besonders macht, wo er erhältlich ist und welches Material das steirische Ennstal seit Jahrhunderten auszeichnet, erklären zwei Traditionsunternehmer in den folgenden Zeilen FÜR DICH!
Das Bummeln der Kirchenglocke tönt über den gesamten Stadtplatz. Feine Schneeflocken zaubern ein magisches Bild. Vor der Stadtpfarrkirche Schladming haben sich einige Kirchleute versammelt. Die Männer machen dabei mit ihrem Outfit dem grauen Wintertag richtig Konkurrenz. „Hast auch deinen feschen Janker ausgepackt", brummt eine tiefe Männerstimme. Der ältere Herr zupft am Ärmel eines jungen Burschen, der neben ihm steht und stolz nickt. Mit „Janker" meint man in der Region Schladming-Dachstein eine gerade geschnittene, hüftlange Jacke aus gewalkter Schafwolle, deren Stoffkanten meist andersfarbig abgesetzt sind. „Der Original Schladminger Janker wird oft auch einfach als ‚Schladminger' bezeichnet und ist hierzulande ein ganz wertvolles Stück. Für ihn verwendet man den Schladminger Loden, welcher heute noch nach traditionellem Handwerk hergestellt wird", erklärt Jörg Steiner, Inhaber der Lodenwalke Ramsau. In der Gegend um Schladming geht die Lodenerzeugung auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Gleichzeitig repräsentiert der Schladminger Janker die alte Bekleidungskultur des steirischen Ennstals. „Ohne ihn geht man als richtiger Einheimischer an einem Sonntag oder Feiertag sowie an Feierlichkeiten nicht vor die Tür. Wobei es mittlerweile auch Damenschnitte gibt", ergänzt Jörg, währenddessen er die Türe eines Produktionsraumes öffnet. Die Lodenwalke in Ramsau am Dachstein ist ein österreichisches Unternehmen, wo seit 1434 bis heute Loden und Walkloden produziert wird. „Wir haben nachgeforscht und herausgefunden, dass unser Betrieb der älteste Gewerbebetrieb der Steiermark ist", so Jörg, der auch für Besucher Gruppenführungen in den Räumlichkeiten der Lodenwalke anbietet, um das alte Handwerk und seine Wertigkeit Interessierten näher zu bringen.
Qualität trifft Mode
Nachdem wir ein paar Meter durch die Produktionsstätte spazieren und Jörg ausführlich erklärt, kommen wir im Lager an. Der Experte nimmt einen Original Schladminger Janker zur Hand und betont: „Der Oberstoff besteht aus Perlloden, das Futter aus Tuchloden – wobei beides 100 % Schurwolle ist. Für das Ärmelfutter selbst verwenden wir hingegen 100 % Baumwolle. Außerdem werden echte Hirschhornknöpfe angebracht". Angesichts der hochwertigen Materialien wird selbst Laien schnell klar, warum das Bekleidungsstück seinen Preis hat. Doch jeder, der schon mal einen Schladminger getragen hat, weiß die Qualität zu schätzen und spürt am eigenen Leib, welch Tragekomfort der einzigartige Loden garantiert.
Steiner1888
Ein zweiter heimischer Betrieb, in welchem Loden sowie der Originale Schladminger Janker hergestellt werden, ist Steiner1888. Bei den geführten Touren durch die Wollwelt erlebt man die Lodenerzeugung hautnah, ergänzt durch wunderschöne Impressionen im 3-D-Kino, informativen Kurzfilmen und vielen Fühlstationen. „Am Standort Mandling werden seit über 130 Jahren hochwertige Lodenstoffe gefertigt. Mit viel Liebe, Können und nach alter Handwerkskunst entstehen Produkte mit nachhaltigem Charakter. Unser Betrieb stellt den Stoff für den Original Schladminger Janker auf wahrscheinlich einer der letzten Hammerwalken her. Daneben verkaufen wir Stoffe an Händler aus aller Welt oder auch an namhafte Designer wie etwa Karl Lagerfeld, Jil Sander sowie Dolce & Gabbana“, erklärt Geschäftsführer Johannes Steiner. Trotz des enormen technischen Fortschritts hat sich an der Fertigungsmethode von Loden seit den letzten 500 Jahren nicht viel verändert. Natürlich wurden einige manuelle Herstellungsschritte durch Maschinen ersetzt, doch ohne die fleißigen Hände der Mitarbeiter würde es auch nicht funktionieren. Johannes Steiner: „Kernelement in der Lodenerzeugung ist das Walken. Ohne den Walkprozess wäre Loden kein Loden. Mindestens genauso wichtig ist der Rohstoff Wolle, der dem Loden seinen natürlichen Charakter verleiht. Wer später einen Schladminger Janker trägt, freut sich über die Naturmaterialien, die atmungsaktiv sind und dennoch vor Wind und Kälte schützen". Die Lodenexperten ergänzen, dass eine spezielle Bindung sowie Webung für die richtige Dicke des Materials und letzten Endes für das originale Aussehen des Schladmingers Voraussetzung sind. Die urige Optik wird eben nur durch die ursprüngliche Herstellungsmethode erreicht. Und natürlich gibt es mittlerweile verschiedene Ausführungen des Schladmingers die beweisen, dass das Kleidungsstück mit der Zeit geht und sich an die aktuelle Mode etwas anpasst. Jörg und Johannes sind sich jedenfalls sicher: „Mit der Originalversion kann man nie etwas falsch machen.“
Wolle braucht Weile
Während einer Führung in der Lodenwalke oder in der Steiner1888 Wollwelt erfährt man viel über die Geschichte der beiden Betriebe. Bei Lodenwalker erfolgte die Erzeugung der Stoffe bis ins 19. Jahrhundert komplett in Handarbeit. Erst um 1860 besorgte man Krempelmaschinen aus Leoben und richtete die erste maschinelle Spinnerei ein. Etwas später folgten mechanische Webstühle und Handstrickmaschinen. Bei Steiner1888 änderten sich die betrieblichen Strukturen in einem ähnlichen zeitlichen Muster. Doch heute noch ist der Fertigungsprozess der gleiche: „Je nachdem welche Qualität und Farbe wir erreichen möchten, wird die Rohwolle in der Krempelmaschine vermischt. Die Wollfasern werden durch Walzen zu einem feinen Faservlies gelegt, das anschließend in Streifen geteilt und am sogenannten 'Nitschelwerk' zu einem Vorgarn gerundet wird. Ein Vorgarn ist noch nicht reißfest. Auf der Ringspinnmaschine entsteht dann durch kontinuierliche Drehung und gleichzeitiger Streckung des Vorgarnes das reißfeste Wollgarn. Ein Garn, so wie wir es aus dem Alltag kennen“, erklärt Johannes ausführlich. Eine weitere Besonderheit ist das Weben, das bei der Lodenherstellung ein essentieller Arbeitsschritt ist. Johannes: „Dann erst kommen wir zur Königsdisziplin namens Walken. Hierbei machen wir uns die Eigenschaft der Wolle - unter Einwirkung von Feuchtigkeit, Seife, Wärme und Reibung zu verfilzen - zu Nutze“. Diesen Walkprozess kann man sich vorstellen, wie eine große Waschmaschine.