„Foahn ma zur Oma auf an Krapfen?“, heißt es jeden Samstag bei uns zuhause. Denn die langjährige Tradition des Steirerkrapfen-Backens wird von meiner Oma nach wie vor aufrechterhalten.
Krapfen ist nicht gleich Krapfen
Meine Oma wohnt in Pichl, im oberen Ennstal. Bei ihr werden „Woazane Krapfn“ (Krapfen aus Weizenmehl) gebacken, die auch „die evangelischen Krapfen“ genannt werden. Anders in Richtung östliches Ennstal, beispielsweise in Gröbming. Hier werden die Krapfen zumeist aus Roggenmehl gebacken und „katholische Krapfn“ genannt.
Ein Einblick in die Kunst des Krapfen-Backens
Letzten Samstag wollte ich meiner Oma beim Krapfen-Backen einmal genauer auf die Finger schauen, um es zu lernen und die Tradition vielleicht einmal selbst fortsetzen zu können.
Doch schon zu Beginn beim Schlagen des Germteigs (Hefeteig) konnte mir meine Oma nicht mehr länger zusehen, da ich einfach „zu langsam“ war. Außerdem wären mir ohnehin fast die Hände abgefallen. Also beschloss ich, ihr einfach zuzusehen und mir ihre Geschichten und Tipps anzuhören.
Die Vorgangsweise
Nach dem Bearbeiten des Germteigs werden daraus zunächst kleine Bällchen geformt, die dann etwas rasten müssen. Danach werden sie zu ca. 15 cm runden Krapfen ausgewalkt. Die große Kunst besteht darin, einen schönen und richtig runden Krapfen auszurollen. Damit die Krapfen beim Herausbacken schön aufgehen, muss, noch bevor sie dann im heißen Schmalz „baden“, in die Mitte ein Loch gedrückt werden. Beim Schmalz ist besondere Vorsicht geboten, da es extrem heiß ist, teilweise gefährlich spritzt und außerdem gewaltig raucht. Der Rauch lässt sich nicht vermeiden, weil der Raum während dem Herausbacken frei von Zugluft sein muss, da sonst die Krapfen sofort hart werden würden. Aufgrund des Rauches mussten wir als Kinder immer die Küche verlassen und auch noch heute brennen mir die Augen so dermaßen, dass ich am liebsten kurz den Raum gewechselt hätte. Nachdem der Krapfen kurz im Schmalz gewendet wurde, wird er zum Abtropfen auf ein Küchenpapier gelegt.
Endlich fertig
Nachdem alle Krapfen herausgebacken sind, gibt es die erste Kostprobe. Noch ganz frisch und warm schmecken sie, meiner Meinung nach, am allerbesten! Doch auch am Nachmittag zum Kaffee sind sie vorzüglich. Bis dahin werden sie in eine Plastiksackerl eingepackt, damit sie schön weich bleiben.
„Samstag z’Jausn“
Am Samstag um 16:00 Uhr nachmittags, wenn man den Kaffee schon aus der Stube riechen kann (sofern dieser nicht vom Geruch des Steirerkas übertroffen wird) kommen die ersten Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder meiner Oma. Die gesamte Familie versammelt sich dann am Küchentisch, um einen (oder mehrere) Krapfen zu essen. Der „Woazane Krapfen“ kann sowohl süß als auch herzhaft verspeist werden. Entweder man genießt ihn gefüllt mit echtem Bienenhonig aus der Region oder mit Ennstaler Steirerkas, einer weiteren steirischen Spezialität. Ich esse meinen Krapfen am liebsten zusammengerollt und mit Steirerkas von meiner Tante aus der Kleinsölk– ein echter „Steirerkaskrapfen“.
Die „Krapfen-Karriere“ meiner Oma
Neben dem Krapfen-Backen hat meine Oma genügend Geduld, um mir von der Tradition zu erzählen. Sie lernte das Krapfen-Backen mit 17-18 Jahren von ihrer Mutter und betreibt es, seit sie ihren eigenen Haushalt führt, also seit ihrem 18. Lebensjahr, selbst. Seither sind Steirerkrapfen an Samstagen im Hause allgegenwärtig. Es muss schon ein ganz außergewöhnlich besonderes Ereignis stattfinden, welches meine Oma davon abhält, Krapfen zu backen. Von diesen Ereignissen gab es seither nur wenige. Hochgerechnet kann man also sagen, dass unsere Oma in über 50 Jahren etwa 107.380 Steirerkrapfen für uns backte. Auch wenn ich seit meiner Kindheit beinahe jeden Samstag (mindestens) einen Steirerkrapfen esse, freue ich mich nach wie vor auf die Steirerkrapfen-Samstage bei Oma und kann mich nicht satt essen davon …